Das historische Ereignis, das dieser Sage zu Grunde liegt, ist unter dem Namen Erfurter Latrinensturz in die Geschichte der Stadt eingegangen. Historiker allerdings bezweifeln, ob es sich um eine Latrine – oder wie Bechstein sagt, „eine Kloak“ – handelte. Latrinengruben unter dem Haus waren in der damalige Zeit nicht üblich.
Während die Chronik die Domburg als Ort des Geschehens angibt, legt Bechstein das Geschehen ins Erfurter Peterskloster.
Einst lebte ein Graf zu Schwarzburg, Heinrich der Siebente geheißen, der führte ein hässlich Sprüchwort im Munde, wenn er sich etwas Hohem vermaß, und sprach: Tue ich das, so müsse ich im Abtritt ersaufen.
Und hat es sich zugetragen, dass dieser Graf, ein mannlicher Herr, der vielen Reichstagen und Turnieren beiwohnte, im Jahr 1186 mit Kaiser Heinrich VI. auf dem Reichstag zu Erfurt war, wohin auch Landgraf Ludwig von Thüringen und Erzbischof Konrad von Mainz kamen, die lange Zeit miteinander gestritten und sich gegenseitig ihre Länder verheert hatten. Da wurde geteidingt und Frieden gemacht zwischen diesen beiden im Beisein des Kaisers und vieler edlen Fürsten, Grafen und Herren in einem Saale des St. Peterskloster, und da der Boden dieses Saales alt und morsch war, so brach er plötzlich zusammen von der Last so vieler Personen. Unten aber war ein Kloak, darin aller Unrat aus den heimlichen Gemächern zusammenfloss, dahinein stürzten und erstickten elendiglich der Graf Heinrich von Schwarzburg und Friedrich Graf von Arnsberg; auch fanden noch ihren Tod Gosmar Graf von Hessen, Gottfried Graf von Ziegenhain, Burggraf Friedrich von Kirchberg, Beringer von Meldingen und andere. Der Kaiser und der Bischof hatten im Gespräch in einer Fensternische gestanden, hielten sich fest am Eisengitter und wurden gerettet. Der Thüringer Landgraf teilte den Unglückssturz, doch kam er davon ohne Verletzung. So erfüllte sich auf eine gar traurige Weise der Schwur des Schwarzburgers.
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Quelle: Ludwig Bechstein , Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1930