Schwer vorstellbar: Ein Kloster mit Kreuzgang und Klostergarten zierte einst den Petersberg. Die Nähe zur mittelalterlichen Stadt mit ihren Märkten und Handwerksstätten einerseits, und die der steilen Anhöhe geschuldeten Abgeschiedenheit andererseits machte den Berg zu einem idealen Standpunkt für das geistliche Leben. So fanden benediktinische Mönche im 11. Jahrhundert auf dem Gipfel des Berges ihre Heimat. Nach dem verheerenden Brand von 1080 entstand unter Abt Burchard ab 1103 eine neue steinerne Klosteranlage, deren Kirche 1147 fertiggestellt war. Diese, den Schutzpatronen Peter und Paul geweihte Kirche ist das einzige Überbleibsel des ehemaligen Klosters.
Während der Bauernunruhen 1525 ging wertvoller Klosterbesitz bei Plünderungen verloren. Etwa Hundert Jahre später, im Dreißigjährigen Krieg, wandelten die Schweden es kurzzeitig in ein lutherisches Kloster um und schließlich erhielt es im Jahre 1665 um sich herum eine sternförmige Festung. Beim Bau der Zitadelle ging einzig der Weinberg verloren. Das Leben der Mönche im Inneren der barocken Festung blieb gleich. Sie wandelten weiterhin in ihrem Kreuzgang, arbeiteten im Garten und beteten in der Peterskirche. Jedenfalls taten sie dies bis zu dem Tage, da die Preußen kamen.
Laut Reichsdeputationshauptschluss von 1803 gehörte Erfurt nicht länger zum Mainzer Erzbistum, sondern wechselte zu Preußen. Als südlichster Stützpunkt des preußischen Gebietes kam der Zitadelle Petersberg eine erhebliche Bedeutung zu: Sie avancierte zur „Festung ersten Ranges". Um für größere Truppeneinheiten Platz zu schaffen, lösten die Preußen das Kloster kurzerhand auf und begannen vermutlich mit dem Rückbau der Klosteranlage. Die Peterskirche funktionierten sie zur Gemeindekirche um.
Als drei Jahre später die Franzosen vor Erfurt standen, die Preußen zur Kapitulation zwangen und die Zitadelle besetzte, hatte die alte Klosterkirche bereits ihren letzten Gottesdienst gefeiert und die Kirchenglocke ihren letzten Ton verklingen lassen. Denn die Franzmänner nutzten das kühle Kirchenschiff als Vorratslager und zur Unterbringung ihrer „heiligen" Pferde. Das nutzlos gewordene Kircheninventar wurde nicht zerstört, denn es versprach wertvolle Einnahmen und so wurden Orgel, Glockengeläut und Chorgestühl an die Höchstbietenden verkauft. Manche Kirchengemeinde der Umgebung hat damals sicher ein Schnäppchen erhascht.
1813 belagerten die Preußen den Petersberg. Ihre Kanonen verfehlten das Ziel; sie flogen über die Zitadelle hinweg und landeten im Stadtviertel unterhalb des Berges. Seither hat Erfurt den wohl größten Domplatz. Einige Schüsse trafen auch die hohen Türme der Peterskirche, worauf Kirche und Kloster völlig ausbrannten. Welch Glück und Ironie des Schicksals, dass alle Wertsachen ja schon an sicheren Orten neue Besitzer gefunden hatten.
Die Zerstörung des Klosters war für die Preußen nicht weiter ärgerlich. Im Gegenteil: Nach ihrer Wiederinbesitznahme des Petersberges eröffnete dies die Möglichkeit, das Kirchengebäude für militärische Zwecke umzubauen. Türme und Mittelschiff setzten sie auf Höhe der Seitenschiffe herab. Um den Platz des hohen Kirchenraumes effektiver nutzen zu können, zogen sie eine Zwischendecke ein. Fertig war der Korn- und Mehlspeicher. Zudem boten die zerstörten Klostergebäude Platz und Steine für die Errichtung einer Defensionskaserne.
Wirklich ärgerlich war für die Preußen aber, dass ihr Beschuss der Zitadelle samt französischer Besatzung nichts anhaben konnte und sie die Belagerung ein halbes Jahr aufrechterhalten mussten, bis die letzten französischen Truppen im Mai 1814 endlich aus Erfurt abzogen.
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Fotos: Tina Romstedt