Goethe hielt sich oft und gern in Erfurt auf. Zu seinen berühmtesten Aufenthalten zählte wohl das Treffen mit Napoleon Bonaparte; insgesamt sind 53 Aufenthalte des Dichters in Thüringens Hauptstadt verzeichnet. Drei Jahre nach seinem letzten „Kontakt" mit der Stadt begann er seinen „West-östlichen Divan" zu verfassen, eine Gedichtsammlung, inspiriert durch den altpersischen Dichter Hafes (auch Hafis). In diesem, aus insgesamt 12 Büchern bestehendem Werk reflektiert Goethe zwischen orientalischen und okzidentalischen Weltanschauungen. Er verfasste dieses Werk aus Verehrung und dichterischer Zuneigung zu dem persischen Poeten. Beide, Goethe und Hafis, nehmen in ihren „Diwan" – Gedichtbänden Abstand vom christlichen bzw. islamischen Dogmatismus. Durch diese Zusammenarbeit, nicht über unterschiedliche Kulturen, sondern auch über mehrere Jahrhunderte hinweg, zeigt sich die Wichtigkeit des kulturellen Austausches und der Interkulturalität überhaupt. So können ganze Kulturen entmystifiziert, Menschheitsmuster in jeder Kultur ausgestellt und verglichen werden und man wird feststellen, dass die vermeintlichen Unterschiede gar nicht so groß sind. Mauern einreißen und Brücken bauen – das sollte im Gedächtnis der Menschheit verankert sein, denn auch beide „Diwan"-Schriften sind poetische Hinterlassenschaften aus zwei unterschiedlichen Kulturen, die eben jene Grenzen transparenter werden lassen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: Am stärksten ist dabei das Erinnern um nicht zu vergessen, immer auch unter Einbeziehung der Gegenwart.
Sollt' einmal durch Erfurt fahren,
Das ich sonst so oft durchschritten,
Und ich schien, nach vielen Jahren,
Wohlempfangen, wohlgelitten.
Wenn mich Alten alte Frauen
Aus der Bude froh gegrüßet,
Glaubt' ich Jugendzeit zu schauen,
Die einander wir versüßet.
Das war eine Bäckerstochter,
Eine Schusterin daneben;
Eule keinesweges jene,
Diese wusste wohl zu leben.
Und so wollen wir beständig,
Wettzueifern mit Hafisen,
Uns der Gegenwart erfreuen,
Das Vergangne mitgenießen.