Der Erinnerungsort „Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz" eröffnete am 27. Januar 2011 im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma J. A. Topf & Söhne. Begleitmaterialien charakterisieren ihn treffend als „die einzige historische Stätte in Europa, an der an einem ehemaligen Firmensitz die Mittäterschaft der privaten Wirtschaft am Massenmord in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern gezeigt und nachgewiesen werden kann."
Das frühere Unternehmen hatte in enger, durchaus zwangsfreier Zusammenarbeit mit der SS viele der in Konzentrationslagern wie Buchenwald und Auschwitz aufgestellten Leichen-verbrennungsöfen entwickelt, eigeninitiativ neue Vorschläge zur Effizienzsteigerung eingebracht, sie produziert und vor Ort montiert. Zudem stattete es die Gaskammern in Auschwitz-Birkenau mit Lüftungstechnik aus.
Geschichte des Unternehmens bis 1945
1878 gründet Johann Andreas Topf das feuerungstechnische Baugeschäft Topf & Söhne. Das sich daraufhin auch international in den Bereichen Heizungsanlagen, Brauerei- und Mälzungseinrichtungen etablierende Unternehmen wird in den 1920er Jahren zum Marktführer beim Bau von zunächst pietätvollen Kremationsöfen zur würdevollen Feuerbestattung.
1939 beginnt Topf & Söhne mit der Produktion von speziell für die Konzentrationslager konzipierten Leichenverbrennungsöfen im Auftrag der SS. Leitender Ingenieur dieses Auftrags, der umfassend gegen die zuvor pietätvolle Feuerbestattungspraxis und auch gegen das 1934 erlassene Feuerbestattungsgesetz verstoßen wird, ist Kurt Prüfer. Aus den erhaltenen Zeitdokumenten ist ersichtlich, dass das Unternehmen keinesfalls zu diesen Aufträgen gezwungen wird oder sich bei deren Ablehnung selbst gefährden würde, sondern dass es in der SS einen gleichberechtigten Geschäftspartner sieht, demgegenüber Topf & Söhne ohne Weiteres auch eigene Ansprüche anmeldet.
1942 stellt das Unternehmen auf Bitten des Ingenieurs Fritz Sanders einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbren-nungsofen für Massenbetrieb"; zu dieser Zeit ist ihm sowie auch nachweislich Kurt Prüfer eindeutig bewusst, wofür ihre Konstruktionen benutzt werden. Ein Jahr später wird das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mit Öfen und Lüftungstechnik des Unternehmens zur „Todesfabrik" ausgerüstet.
Aus dieser Zeit stammt auch jener Briefauszug aus einem Geschäftsbrief des Unternehmens Topf & Söhne an die SS-Bauleitung vom 2. Februar 1943, der heute in großen Lettern auf dem ehemaligen Verwaltungs-gebäude geschrieben steht, wahrscheinlich einer der ersten Eindrücke des Besuchs ist und bereits hier ein Nachdenken über die Rolle des Unternehmen anregt: „Stets gern für Sie beschäftigt...".
Historische Aufarbeitung des Unternehmens
Auch aufgrund des Mythos von den hermetisch abgeriegelten Konzentrations- und Vernichtungs-lagern, von denen außerhalb des national-sozialistischen, aktiven Kerns angeblich niemand von den Verbrechen wusste, hat es lange gedauert, bis man historisch auch Privatbetriebe fokussierte und nach ihrer Verstrickung in die Verbrechen des Nationalsozialismus befragte.
Erst in den 1990er Jahren beginnt eine intensive, umfangreiche und kritische Aufarbeitung der Rolle des Unternehmens Topf & Söhne. Der vormalige Holocaust-Leugner Jean-Claude Pressac veröffentlicht das Buch Auschwitz- Die Technik des Massenmordes, in dem er anhand privater Recherchen und Materialsammlungen, auch im Werksarchiv von Topf & Söhne, von seinen revisionistischen Thesen Abstand nimmt. In Erfurt bildet sich 1999 der Förderkreis Topf & Söhne, ab 2001 wird das ehemalige Betriebsgelände besetzt und es werden Führungen, Workshops und Veranstaltungen zur Geschichte des Unternehmens angeboten [Siehe Besetztes Haus]. 2005 eröffnet zunächst in Berlin die Wanderausstellung „Techniker der „Endlösung". Topf & Söhne- Die Ofenbauer von Auschwitz" der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Verbindung mit dem Jüdischen Museum Berlin und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Diese Ausstellung ist seit 2011 im mittlerweile denkmalgeschützten Verwaltungsgebäude des ehemaligen Firmengeländes angesiedelt und hier Kernkomponente des Erinnerungsortes.
Der Erinnerungsort Topf & Söhne
Am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wurde der Erinnerungsort offiziell eröffnet. Neben der Dauerausstellung „Techniker der „Endlösung". Topf & Söhne- Die Ofenbauer von Auschwitz" werden wechselnde Sonderausstellungen angeboten, denen beigestellt wiederum ein großes Begleitprogramm an Veranstaltungen ist. Die Sonderausstellungen bieten weitere Perspektiven zur Aufarbeitung des National-sozialismus mit dem Schwerpunkt auf den Thüringer Raum an und legen viel Wert auf die Darstellung der Schicksale einzelner Opfer. Durch diese überaus ergreifenden Ausstellungen kommt es immer wieder zu einem fruchtbaren Spannungsverhältnis zur Kernausstellung, die wesentlich sachlicher und nüchterner dokumentiert. Wenngleich auch schon die Dauerausstellung mit ihren Schlüsseldokumenten zur Vernichtungsindustrie, illustrierenden Fotos, Skizzen und Sachzeugnissen fassungslos stimmt, sind die Berichte, Biographien und Interviews von Überlebenden und im Nationalsozialismus ermordeten Menschen doch darüber hinaus imstande, dem Gedenken eine fassbare Form zu verleihen und der sich einstellenden Trauer Gesichter zu stiften.
Der Erinnerungsort versteht sich als einzigartiger Lernort, zu dem viele pädagogische Angebote entwickelt wurden. Es kann auf verschiedene von Fachkräften begleitete Angebotsformate wie Führungen, Projekte oder Seminare zurückgegriffen werden, die sich an Schüler ab der 9. Jahrgangsstufe richten.
Auch bei einer selbstständigen Erkundung des Erinnerungsorts sollte man aufgrund der Materialfülle, verschiedener medialer Angebote und der bewegenden Thematik einige Stunden einplanen. Obwohl das umliegende Gelände 2009 abgerissen wurde, weisen Informationsstelen auch auf den neubebauten Arealen auf die Geschichte des Geländes hin. Vor dem Verwaltungsgebäude befindet sich ein gusseisernes Modell des früheren Gesamtgeländes in der Bebauung von 1944/45 im Maßstab 1:50, ferner ist hier mit einem „Stein der Erinnerung" auch ein Gedenkstein angebracht.
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Einrichtung: Erinnerungsort Topf & Söhn
Adresse: Sorbenweg 7, 99099 Erfurt
Öffnungszeiten: Di- So 10–18 Uhr
Homepage: www.topfundsoehne.de
Alle Angebote sind kostenlos, Spenden sind willkommen.
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Bilder: Florian Karsubke