Erfurt-Lese

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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Hans Sachs im Schwan zu Erfurt

Hans Sachs im Schwan zu Erfurt

Wir kennen Hans Sachs (1494–1576) als Autor von Schwänken und Fastnachtsspielen. Er war der Sohn eines Nürnberger Schneidermeisters und zudem einer der bekanntesten Dichter des 16. Jahrhunderts. Er selbst erlernte das Handwerk des Schumachers. Während seiner Gesellenwanderzeit kam er vermutlich auch nach Thüringen. Aus Erfurt ist folgende Geschichte, die man als Jugendsünde deuten mag, überliefert:

Nicht weit von der Krämerbrücke, über die alle fahrenden Schüler und wandernden Handwerksgesellen gehen mussten, wenn sie durch Erfurt wollten, steht das stattliche Gasthaus Zum alten Schwan in der Gotthardtstraße. Dort kehrte einst hungrig und müde ein Handwerksbursche ein, seines Zeichens ein Schuhmacher und seines Namens Hans Sachs aus Nürnberg. Sein Kopf war voll von dichterischen Gedanken, seine Zunge reich an Versen, die er schon gemacht; aber seine Taschen waren leer, und kein Heller war in ihnen zu finden. Als er nun sah, wie im Gasthaus an der Tafel die schönsten Speisen aufgetragen wurden, spürte er den Hunger, den er schon hatte, noch mehr. Er setzte sich und ließ sich das Mahl wohlschmecken. Doch als er die Zeche bezahlen sollte, kam er in große Verlegenheit.

Der Wirt sah in ihm einen Zechpreller, fuhr ihn hart an – und steckte den Fremdling kurzerhand in einen Sack, weil ein anderes Schuldgefängnis nicht da war. Der arme Hans Sachs hat nach seinem eigenen Geständnis die qualvollste aller Nächte seines ganzen Lebens verbracht.

Als am anderen Morgen um fünf Uhr die Hausmagd sich nahte, um Feuer in dem Zimmer anzuzünden, bat Hans Sachs sie flehentlich um seine Befreiung. Seine inständige Bitte rührte das Mädchen; so band sie den Sack auf und ließ den Burschen, der sich krumm und lahm gelegen hatte, heraus. Aber er sollte seine Freiheit nicht genießen. Denn schon hörte man den Wirt in seinem Schlafraum sich erheben. Da erschrak die Magd und forderte den Fremdling auf, schleunigst wieder in den Sack zu kriechen. Der aber wollte nicht, reckte und dehnte sich und freute sich seiner Freiheit. Da bot ihm die Magd in ihrer Angst vor dem Wirte einen guten Groschen, wenn er in sein Gefängnis zurückkehre. Hans Sachs ließ sich wirklich dazu bewegen und kroch in den Sack. Kaum hatte die Magd aber den Sack oben zugebunden, holte sie die Ofengabel und bleute den Rücken des Gefangenen, bis dieser den Groschen durch ein Loch des Sackes wieder herausgab.

Der Wirt war inzwischen die Treppe herunter gepoltert und gedachte des Gefangenen, band den Sack auf und ließ Hans Sachs frei; aber schärfte ihm die Lehre ein: Wer kein Geld hat, kann sich nicht zur Tafel setzen.

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Überlieferungen gefunden in:

Schulrat Dr. Kürsten/ Rektor Leineweber (Hrsg.): O du Heimatflur. Eine Heimatkunde der Stadt Erfurt in Einzelschriften. Heft 1. Erfurter Sagen, Kenser´sche Buchhandlung Erfurt (ca. 1940)

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