Erfurt-Lese

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Luther im Himmel

Das jünste Gericht

Christoph Werner

Der große Reformator steht vor dem jüngsten Gericht; er ist angeklagt, auf Erden wahrhaft unchristlich gehandelt zu haben, da er Hexen, Juden und andere Gegner zu ersäufen oder zu pfählen empfahl. Nun muss er sich vor Gott rechtfertigen, warum er gegen das biblische Gebot der Nächstenliebe verstoßen habe.

Die zwei Leben der Manu Wicher

Die zwei Leben der Manu Wicher

Tina Romstedt

In ihrem ersten Leben war die 1969 geborene Erfurterin Lehrerin gewesen, Lehrerin mit Leidenschaft, daneben Mutter, Ehefrau und Hundebesitzerin. Manche Dinge bleiben, manche ändern sich. Noch immer lebt sie mit Mann und Hund in einem nördlichen Vorort Erfurts. Die Kinder sind mittlerweile groß und die Zeit, in der sie jeden Tag zur Schule geht, ist seit einigen Jahren vorüber. Schon frühzeitig hatte sich Manuela Wicher (so ihr bürgerlicher Name) dazu entschieden, mit fünfzig nicht mehr vor einer Klasse stehen zu wollen. Also quittierte sie noch vor ihrem fünfzigsten Lebensjahr den Lehrerberuf, um eine neue Leidenschaft in ihr Leben einzuladen und ein ganz neues Leben auszuprobieren.

So widmet sie seit 2019 ihre Zeit dem Schreiben. Mit großer Disziplin setzt sie sich jeden Morgen an den Schreibtisch und lässt Geschichten voll intensiver Erzählkraft unter ihrer Hand entstehen. So entstanden in den letzten zwei Jahren drei Romanmanuskripte.

von rechts: Ramona Hoidn-Stock, Maik Stock und Manu Wicher mit ihrem Debütroman.
von rechts: Ramona Hoidn-Stock, Maik Stock und Manu Wicher mit ihrem Debütroman.

Anfang 2023 fasste sie den Mut, verschiedenen Verlagen ihren ersten Roman anzubieten. Das gleich mehrere Verlagshäuser Interesse zurückmeldeten, war für Manuela Wicher wohl überraschend. Noch scheint sie ihrer Schreibkunst sowie ihrer Gabe, der Welt wirklich etwas mitzuteilen zu haben, nicht ganz zu trauen. Letztendlich hat sie den Erfurter PROOF Verlag, alias Ramona Hoidn-Stock und Maik Stock, mit der Herausgabe ihres ersten Buches betraut. Seit dem 23. September 2023 ist es auf dem Markt und kommt mit einem Titelbild schlichter Schönheit und als Softcover mit geschmeidiger Haptik daher.


Manu Wichers Debütroman schlägt ein Thema an, das generationsübergreifend den Puls der Zeit trifft. Es geht um die Angespanntheit und Unsicherheit zwischen Ende und Neuanfang, um Verdruss und Aufbruch, Versagensängste und Zukunftsträume, Verlust und Freundschaft.

Manu Wichers Debütroman schlägt ein Thema an, das generationsübergreifend den Puls der Zeit trifft. Es geht um die Angespanntheit und Unsicherheit zwischen Ende und Neuanfang, um Verdruss und Aufbruch, Versagensängste und Zukunftsträume, Verlust und Freundschaft.
Man könnte den Roman „Sechzehn. Das Leben ist so oder anders“ zunächst als Jugendbuch verstehen. Denn er handelt von der Schulzeit, vom Jungsein, vom Leben mit Sechzehn. Eingewoben sind die Erfahrungen der Autorin als Lehrkraft, aber auch ihre Erinnerungen, wie sie selbst sagt,an die eigene Schulzeit, an die ganze Tragik und gleichzeitig Leichtigkeit des Sechzehnseins, an nervige Mitschüler und gestresste Lehrer. An die erste Liebe, den ersten Sex, das erste Verloren Sein und den immerwährenden Versuch, die überwältigende Gegenwart zu begreifen.“

Tatsächlich ist „Sechzehn. Das Leben ist so oder anders“ weit mehr als nur ein Jugendroman. Er zeigt das Bild unserer Gesellschaft, die vom Leistungsdruck beherrscht und emotional und menschlich recht abgestumpft ist. Führt uns menschliche Konflikte, begründet in unserer gegenseitigen Verständnislosigkeit, vor Augen und macht die bestehenden Probleme in den unterschiedlichen sozialen Schichten deutlich. Zugleich kritisiert er unser Bildungssystem, das auf Kontrolle statt Vertrauen setzt, das damit zur frustvollen Unlust der Schüler und zum Ausbrennen der Lehrer führt.

„Diese Fixierung auf Prüfungen und Ergebnisse. Sie nahm alles Leichte, Unbeschwerte, jede natürliche Neugier. Die innere Motivation zum Lernen stumpfte durch den permanenten Leistungsdruck komplett ab, man konnte quasi dabei zusehen.“
(S. 278)

Autogrammstunde. Manu Wicher nimmt sich Zeit für Leserwünsche.
Autogrammstunde. Manu Wicher nimmt sich Zeit für Leserwünsche.

Handlungsort des Romans ist die Aula einer Gesamtschule. Die Schüler der zehnten Klasse schreiben ihre Deutschprüfung. Sie sind sechzehn, schließen ihre Schulzeit in Kürze ab und blicken voll Sehnsucht und Hoffnung auf ihr Leben danach. Auch Frau Sund, die Klassenlehrerin, sieht ihren eigenen letzten Schultag nahen; sie hat bereits gekündigt.

„Mit jeder vergeudeten Arbeitsstunde für neue Konzepte, die nie umgesetzt wurden, mit jeder vertanen Stunde in den Dienstberatungen, in denen neue Verordnungen und Anweisungen verlesen wurden, aber für das wirklich Wichtige keine Zeit mehr blieb. ‚Weisung von oben‘ wurde die Legitimation für alles. Damit wurde jedes Hinterfragen auf mögliche Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit umgangen. Kontrolle statt Vertrauen. Und alle taten, als sei das unausweichlich und richtig. Meine Abneigung gegen unsere neue Direktorin könnte nicht größer sein.“
(S. 20f)

Doch jetzt ist Frau Sund ganz bei ihren Schülern. Sie lässt ihre Augen über die Klasse schweifen und fiebert mit ihren Zöglingen. Sie kann sehen, was hinter deren Köpfen vor sich geht, weiß hinter die Fassaden pubertärer Coolness zu blicken und kennt die Lebensumstände ihrer Schüler nur allzu gut. So entblättern sich Kapitel für Kapitel sechzehn individuelle Lebensgeschichten und geben eine Komplexität von Beziehungen im Klassenkosmos preis.

Manu Wicher liest im Erfurter Cafe "Oma Lilo"
Manu Wicher liest im Erfurter Cafe "Oma Lilo"

Wer das Buch beginnt, legt es nicht mehr aus der Hand, bevor er es ausgelesen hat. Der Erzählstil der Autorin ist mitreißend und spannend, voll psychologischer Tiefe; sie weiß, wovon sie schreibt. Manu Wicher hat mit „Sechzehn. Das Leben ist so oder anders“ ein Stück ernst zu nehmender Literatur geschaffen.
Sie tastet sich langsam an ihr neues Leben als Schriftstellerin in der Öffentlichkeit heran. Vorerst konzentriert sie sich auf Lesungen im näheren Umkreis von Erfurt. Nach der erfolgreichen Buchpremiere am 23.09. war die Lesung im Cafe „Oma Lilo“ bereits Tage vorher ausverkauft und auch das Bürgerhaus Gispersleben platzte aus allen Nähten. Das Publikum verließ berührt und begeistert das Haus. 

Für mich ist Manu Wicher ein neuer Stern am Literaturhorizont und ich bin gespannt auf die beiden noch in der Schublade ruhenden Werke.

 

 

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