Ein vollkommen überfüllter Parkplatz lässt es erahnen: Die Klassiknacht ist kein Geheimtipp mehr. So stürmen zahlreiche Neugierige und Klassikinteressierte am 18. August 2012 Richtung Zooeingang. Es ist ein sehr warmer Abend und so verwundert es niemanden, dass viele in kurzen Hosen, Röcken, Sandalen und Flipflops unterwegs sind.
Schon am Eingang des Zoos ist einer von insgesamt acht Klangpunkten aufgebaut. Dieser beginnt pünktlich 18.00 Uhr mit seiner musikalischen Unterhaltung. Zarte Klänge von einem Duett, aus Geige und Klavier bestehend, locken die Zoobesucher an. Einige verweilen direkt und nehmen Platz auf den Stühlen vor der kleinen Bühne.
Im nahen Gehege sitzen aufgeweckte Erdmännchen auf ihren Hinterpfoten und beobachten neugierig das Geschehen. Im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den afrikanischen Löwen. Diese liegen entspannt im Gras und genießen die Sonnenstrahlen. Ob die sanften Klänge die großen Katzen müde machen? Zumindest scheint es so, denn sie können kaum noch ihre Augen offen halten.
Folgt man den weit entfernten Klängen, gelangt man zu der erst kürzlich fertig erbauten Afrikasavanne. Hier teilen sich eine Herde Zebras, Antilopen und ein paar Strauße die sonnendurchflutete Anlage. Nicht weit entfernt erblickt man schon die nächste kleine Bühne mit BACHarts und Steven Tailor. Wie der Name schon verrät, ertönen hier Stücke von Bach. Die Klänge, die hier ertönen, sind fantastisch und auch irgendwie romantisch. Das scheinen auch die Zebras zu spüren. Sie machen es dem jungen Pärchen auf der Grünanlage neben der Savanne gleich und reiben zärtlich ihre Köpfe aneinander.
In Deutschlands drittgrößtem Zoo hat sich viel getan. Auf fast 63 Hektar leben über 3.000 Tiere in rund 482 Arten aus der ganzen Welt. Seit einigen Jahren finden zahlreiche Erneuerungen der Tieranlagen statt. So wurde 2005 die neue Löwensavanne feierlich eingeweiht. 2007 entstand eine begehbare Kängurulandschaft und nur zwei Jahre später erhielten die Flamingos ihr neues zu Hause. Aber allein von 2010 bis 2012 bekamen die Damhirsche, Geparden- und Präriehunde eine neue Anlage und die Afrikasavanne sowie der für Zoobesucher zugängliche Lemurenwald wurden eröffnet. Bis 2014 soll das bisher größte Bauprojekt des Zooparks vollendet werden. Es handelt sich um ein neues 15.000 Quadratmeter großes Freigehege für die Elefanten, welches einen Grundstein für die Elefantenzucht sein soll.
Am heutigen Abend stehen die drei Elefantendamen noch einmal auf ihrer kleinen Außenanlage und blicken dem sich langsam nähernden Sonnenuntergang entgegen. Abgerundet wird dieses schöne Bild durch die Klänge einer Oboe und Gitarre. In einer versteckten Nische zwischen dem Elefantengehege und dem begehbaren Geiertal sitzt das Duo, mit dem Sonnenuntergang im Nacken und den Blick auf das Geiertal. Etwas Mystisches und Geheimnisvolles liegt in der Luft und man betritt das Gehege der Geier mit etwas Gänsehaut.
Umso schöner ist es, dass auf der großen Bühne beim Plateau so richtig was los ist. Rund 100 Plätze sind besetzt und drum herum stehen überall Menschen, die begeistert Felix Reuter bei seiner Show zuschauen. Am Klavier demonstriert er mit flinken Fingern sein unglaubliches Können. Der gebürtige Thüringer, der mit seinem musikalischen Kabarettprogramm „Alles nur geklaut! - Plagiate der Musikgeschichte" auf Tour ist, spielt auf gekonnt-ironische Weise bekannte Stücke von Bach, Chopin und Beethoven sowie das Kinderlied „Alle meine Entchen" und erklärt, wie aus diesem Kinderlied Smetanas berühmte „Moldau" wurde. Genauso präsentiert er Melodien von Mozart und Bach, die im Beatles Klassiker „Yesterday" Einklang fanden. Aber er spielt nicht einfach nur. Nein. Man merkt, dass Reuter dem Publikum die klassische Musik nahe bringen möchte und dass im Laufe der Musikjahre viel mehr klassische, berühmte Melodien in Pop- und Rocksongs enthalten waren, wie angenommen.
Durch eine kleine Allee gelangt man zur Nashornanlage. Hier sind wieder ruhige Klänge zu vernehmen. Die Mischung aus den sanften Tönen der jungen Querflötistinnen „Flautissmo" und der untergehenden Sonne bieten hier ein wunderschönes, romantisches Ambiente. Auch das Nashornpaar steht bewegungslos da, hat die Augen geschlossen und scheint zu Lauschen. Ein paar Vögel zwitschern hier und da. Die Welt scheint still zu stehen.
Das ist es, was die Besucher hier so sehr anzieht. Im Gegensatz zur Tropennacht, die ebenfalls einmal im Jahr stattfindet, ist die Klassiknacht eine ruhige Veranstaltung.
Mittlerweile wird es allmählich dunkel und im Zentrum des Zoos wird es leerer. An der Hauptbühne auf der etwas abgelegenen großen Festwiese sammeln sich die Gäste. Großartige Musiker, wie das Streichquartett Aurelia und das Salonorchester Erfurt, bieten ein anspruchsvolles Programm. Lichterketten und Fackeln sorgen für Atmosphäre. Viele Pärchen, Familien und Jugendliche sitzen mit Decken auf dem Rasen. Besonders spektakulär wird es, als die Artisten „Inflammati" ihre Feuershow „Feuer & Barock" präsentieren. In prächtigen Barockkostümen verzaubern sie mit außergewöhnlichen Feuerrequisiten, wie einem brennenden Regenschirm, Feuerspucken und Feuerschlucken das Publikum. Man hält den Atem an, wenn das Duo mit brennenden Fackeln tanzt und gleichzeitig jongliert. Zum Schluss steht eigentlich die ganze Bühne in Flammen. Überall brennen und funkeln Feuerkreisel, während „Inflammati" mit wirbelnden Feuerseilen den Höhepunkt ihrer feurigen Jonglierkünste präsentieren. Das Publikum ist begeistert und das Feuer beginnt in einem selbst zu lodern. So ist es schon fast schwierig für den letzten Auftritt des Salonorchesters Erfurt die Feuershow zu überbieten. Als Tenor Lee und das Orchester sich mit dem Stück „Time to say goodbye" vom Publikum verabschieden, ist die Festwiese nun gänzlichen von allen Zoobesuchern besetzt. Alle warten gespannt auf den krönenden Abschluss. Der Countdown beginnt und die Zoobesucher zählen mit: 3,2,1.
Ein gewaltiges Feuerwerk beginnt. Begleitet wird dies von Beethovens 9. Sinfonie „Freude schöner Götterfunken". Der Abschluss der Klassiknacht im Erfurter Zoo hätte nicht besser sein können. Und die Zoobesucher bestätigen dies mit einem tosenden Applaus. Was für ein gelungener Abend.
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Teaserfoto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de
Fotos im Text: Theresa Rudolph