Im Sagenbuch der Stadt Erfurt, das Heinrich Kruspe 1877 herausgab, findet sich die Sage vom Weinbergschatz. Das Ereignis geht sicher zurück ins 16. oder 17. Jahrhundert, als auf den umliegenden Bergen vor den Stadttoren Erfurts noch Wein angebaut wurde.
Die Sage handelt von der Bedrängnis eines Bauern, der zwischen seiner Pflicht gegenüber seinem Dienstherren sowie seiner christlichen Schuldigkeit gegen Gott steht und nicht recht zu entscheiden weiß. Doch die göttliche Fügung steht ihm bei und belohnt ihn für seine Gottestreue.
Winfried Neubert
Weinbergschatz auf dem rothen Berge
In einem Weinberge am rothen Berge beschnitt im Frühjahr ein Weinmeister die Stöcke und sein Herr trug ihm auf, am folgenden Tage Stecklinge zu pflanzen. Der folgende Tag war aber ein Sonntag und dem Weinmeister heilig. Als er die Morgenglocken von Stotternheim läuten hörte, dünkt es ihm doch Unrecht, den Tag des Herrn durch Arbeit zu entweihen. Er sinkt auf die Kniee und betet und dann geht er beruhigt an seine Arbeit. Als er aber den ersten Spatenstich thut, stößt sein Grabscheit auf einen harten Gegenstand. Als er denselben untersucht, ist es ein Topf, in welchem tausend Taler liegen. Fröhlich Gott dankend erhebt er den Schatz, läßt Stecklinge und Grabscheit liegen und wandert in seine Heimath.
***
Quelle: Heinrich Kruspe: Sagenbuch der Stadt Erfurt, Gesamtausgabe von 1877