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Gerhard Klein

Weimar-Skizzen

Gerhard Kleins Skizzen von insgesamt 18 wichtigen Weimarer Sehenswürdigkeiten sind liebvoll gestaltet und werden durch deutsche, englische und französische Kurztexte ergänzt. 

Erfurter Weinlied

Erfurter Weinlied

Wie oft schon ist er besungen worden, der süße Saft der Trauben. Zu allen Zeiten bereicherte ein gutes Tröpfchen sowohl das Essen als auch das Gespräch. Auch Goethe konnte von einer guten Flasche Wein nicht lassen, lebte er doch nach dem Spruch: Der Wein erfreut das Herz und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden.
Foto: Chocolat01, Pixelio
Foto: Chocolat01, Pixelio

Matthias Claudius sorgte 1777 mit seinem „Rheinweinlied“ für Aufregung. In seinem Lied, das in dem von ihm eigens herausgegebenen „Asmus omnia sua secum portans“ Teil 3 erschienen war, pries er den rheinischen Traubensaft, indem er sich lästerhaft über die übrigen deutschen Weinanbaugebiete äußerte. Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;/ Und viele Berge, hört,/ Sind, wie die weiland Kreter, faule Bäuche,/ Und nicht der Stelle wert. So zieht er auch über den thüringischen Wein her, der wohl kleiner als auch herber und säurehaltiger war. Thüringens Berge zum Exempel bringen/ Gewächs sieht aus wie Wein;/ Ist's aber nicht. Man kann dabei nicht singen,/ Dabei nicht fröhlich sein.

Nun war der Weinbau in Erfurt verbreiteter, als man heute denken mag, und dieser Wein innerhalb Thüringens und auch in den norddeutschen Handelsstätten recht beliebt. Gartenbaumeister Christian Reichart hielt ihn gar für bekömmlicher und gesundheitsfördernder, weil er weniger Gichtanfälle hervorrief und nicht so trunken machte. Vermutlich hatte Erfurter Wein wegen der fehlenden Süße auch weniger Alkoholgehalt.

Die Antwort auf Claudius‘ „Rheinweinlied" ließ nicht lang auf sich warten. Aus dem Jahre 1787 stammt das „Erfurter Weinlied" aus der Feder eines Unbekannten. Bemerkenswert ist die Aufzählung der einzelnen Weinberge der Stadt und der Anbauflächen im Umkreis.

Tina Romstedt

Erfurter Weinlied

 

„Von vielen wird der Rheinwein hoch erhoben,
s' ist auch ein schöner Wein;
Doch darf ich auch wohl meinen Landsmann loben,
Erfurter edlen Wein.

Freund Asmus singt: „Thüringens Berge bringen
Gewächs, sieht aus wie Wein.“ –
Ihm aber schenkte man, dabei zu singen,
nur Jen'schen Krätzer ein.

Ha, sollt' ich ihn, den lieben Sänger, sehen
in meiner Vaterstadt,
mit ihm würd' ich zu manchem Freunde gehen,
der Mutterfäßchen hat.

Ihn ließ er sicher nicht im Glas verdunsten,
er zechte, schlürfte tief.
Ich ruhte nicht, bis er zu unseren Gunsten
die Verse widerrief.

Ja, hätt' er nur – er würde gern ihn nehmen –
ein Stückfaß je geerbt.
Prahlt er schon nicht, wie der im großen Bremen,
mit Heidelbeer' gefärbt,

so gut, als wie sein Nachbar an der Saale
bei Naumburg ist auch er.
Versetzt mit Kirschessenz, als Weinkaltschale
mit Zwieback, Zimt, Erdbeer

und Zucker angemacht und aufgetragen,
gibt er ein trefflich Mahl,
und wird gewiß dem lieben Gast behagen
so wie in dem Pokal.

Fragst, Fremdling, du: „Wo wachsen diese Reben?"
So sieh nur um dich, Freund!
Von Nebenbergen ist die Stadt umgeben,
wohin die Sonne scheint.

Ich nenne dir nur kürzlich zum Exempel
den Katz- und Rothenberg.
Die Daberstädter bauten ihren Tempel
auf einen Rebenberg.

Sankt Cyriax birgt seine Invaliden
vor aller Lebensmüh',
und unter ihm stärkt sein Gewächs die Müden
bald und erheitert sie.

Das Borntal gibt nebst einer Silberquelle
auch geist'gen Labetrank.
Freund Bacchus und sein lustiger Geselle
beginnt dort manchen Schwank.

Am Stollberg hängt man nicht mehr arme Sünder
aus Gram und Grillen hin;
kein Rabe krächzt; des Bacchus Lieblingskinder
sehn hier den Weinstock blühn.

Bei Tiefthal schlingen sich die edlen Ranken
des Weinstocks um den Pfahl;
vom Traubensaft-Genuss entflieht dem Kranken
die Welt als Jammerthal.

Die Schwellenburg – man sieht sie schon von weitem –
wo das Kaninchen heckt,
gibt Wein, der, Traum zu allen Tageszeiten
dem Gaumen lieblich schmeckt.

Walschleben, Mölsen, Ollendorf, Hopfgarten,
Schwerborn, Zimmern infra,
Töttleben, Marbach liefert manche Arten
von Wein, wie Witterda.

Großvarguls, Dachwigs, Vippachs Berge geben
nur wenig guten Wein;
allein man pflegt hier spärlich diese Reben.
Kleinbrembachs Berg ist klein.

Da, wo die Winzer nicht den Berg behacken,
nichts von der Kelter fleußt,
wächst Korn und Weizen, Zwieback aus zu backen,
den man zum Wein verspeist.

Ist unser Wein kein Muskat, kein Burgunder,
Liebfrauen-Milch und -Stein,
so trinken wir, und sind gesund und munter,
ein Glas Erfurter Wein.

Denn ach, der Rhein, kehrt hämisch seinen Rücken
uns zu, sein Weingesicht
den Fremden hin; wir sehn's mit trüben Blicken,
allein wir grollen nicht."

 

***
Liedtext gefunden in: Cl. Liebeskind. Der Weinbau in den Ortschaften des ehemaligen Erfurter Gebietes in früherer Zeit, Hopfgarten 1912

Teaserfoto: Günther Gumbhol, Pixelio

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