Das „Erfurter Enchiridion" ist ein besonderes Handbüchlein. Es gilt als erstes protestantisches Liederbuch, entstanden und gedruckt im Jahre 1524. Zunächst wurde es nur im Haus „Zum Färbefass" in der Pergamentergasse von dem im 16. Jahrhundert bekannten Drucker Johannes Loersfeld gedruckt und vertrieben. Durch die große Nachfrage zur Zeit der Reformation entstand nur ein paar Häuser weiter in der Michaelisstraße 48, damals bekannt unter dem Namen „Haus zum Schwarzen Horn bei der Krämerbrücke", eine weitere Edition unter Matthes Maler, die sich unwesentlich von der ersten unterschied: beide waren bis auf ein Lied identisch und die Lieder wurden in unterschiedlicher Reihenfolge gedruckt. Doch warum gab es zwei Editionen? Nun, dies ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass 18 von den insgesamt 25 Liedern vom Reformator Martin Luther verfasst wurden, weshalb die Nachfrage ob der neuen Popularität des Protestantismus stetig stieg.
Nimmt man das kleine Buch zur Hand und schlägt es auf, sticht einem sofort der lange Untertitel ins Auge: „Ein Enchiridion oder Handbüchlein. Eynem ytzigen Christen fast nutzlich bey sich zu haben zur stetter vbung und trachtung geystlicher gesenge und Psalmen, Rechtschaffen und kunstlich verteuscht."
Neben den Liedern also (und einem Glaubensbekenntnis) beschreibt das Buch den Zweck sowohl im Untertitel, als auch in Form eines kleinen Textes (Verfasser anonym) im Sinne der Reformation, in dem es heißt:
Vnter vielen mißbreuchen bißher durch viel hochgelarte un erfarner der heyligen geschrifft angetzeiget, yst freylich ym grundt der warheyt, dyser nicht der geringesten eyner, welchen vnser Tempel knecht, vnd des teuffels Corales, fur Gottes dynst hoch auffgeputzt haben. Als nemlich, das sye allein den gantzen tag ym chor gestanden seyn, vnnd nach artt der Priester Baal mit vndeutlichem geschrey gebrullet haben, vnnd noch yn Stifft kirchen vnd klöstern brullen, wie die Walt esel, zu eynem tauben Gott.
Durch das Singen und Lesen der Texte in diesem Buch soll der wahre und rechtschaffene Glaube gefestigt werden, fernab jeglichen Missbrauchs durch die hohe Geistlichkeit, der durch Luther angeprangert wurde. Das Erfurter Enchiridion gilt deshalb als wichtiges Zeugnis und Mittel zur Kräftigung und Verbreitung der neuen protestantischen Konfession zur Zeit der Reformation.
Quellen:
Christiane und Kai Brodersen (Hg.): Ein Enchiridion oder Handbüchlein geistlicher Gesänge und Psalmen (Erfurt 1524), Speyer, Kartoffeldruck-Verlag, 2008
Das Erfurter Enchiridion, gedruckt zu Erfurt in der Permentergassen zum Ferbefaß 1524, Bärenreiter Verlag Kassel 1929
Bilder: gemeinfrei