Eine Stadt, die schon knapp 1300 Jahre Erfahrung hat – im Jahre 742 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt –, verdient natürlich auch ein Haus, in dem sich alles nur um ihre Geschichte dreht. Und eben dieses Haus befindet sich in der Johannesstraße, unweit des Angers. Es erstrahlt im Stil der Spätrenaissance und nennt sich „Haus zum Stockfisch“.
Seine Geburtsstunde war 1607, als der Waidhändler und Biereige Paul Ziegler es als Wohn- und Geschäftshaus errichten ließ. Seitdem machte es, einhergehend mit häufigen Besitzerwechseln, unzählige Veränderungen mit: Mantelfabrik und Weingroßhandlung, Standesamt, Bücherei und Naturkundemuseum. Seit 1905 ist das „Haus zum Stockfisch“ im Besitz der Stadt Erfurt und wurde 1957 und 1992–94 zwei großen Sanierungen unterzogen.
Seit dem 20. Mai 2012 stehen den Besuchern die Türen zur Dauerausstellung „Tolle Jahre – An der Schwelle der Reformation“ offen. Fängt man im Keller an, so präsentieren sich archäologische Funde wie Münzen, Gefäße, Schmuck oder Vasen; auch ein 30.000 Jahre alter Faustkeil wartet darauf, bestaunt zu werden. Im Nebenraum läuft der Film „Steinerne Chronik“ in Endlosschleife, der Einblicke in die Geschichte Erfurts preisgibt. Und wenn Sie sich umdrehen, können Sie hochbetagte Fotoapparate betrachten.
Die mittelalterliche Stadtgeschichte wird im Erdgeschoss eindrucksvoll festgehalten. Unter fünf gut erklärten Schwerpunkten wie „Der Erfurter Rat“ oder „Die Stadtverteidigung“ sind Exponate aus dem alten Rathaus zu sehen; das Eingangsportal, Rundbilder, Ratssilber und natürlich Urkunden und Handschriften. Eine riesige Armbrust zwischen zwei großen Setzschilden werden dem Betrachter ebensolche Augen bescheren.
Menschliche Knochen haben auf zweierlei Art ihre Präsentation: Neben einem Pranger und schweren Fesseln als mumifizierte, abgeschlagene Verbrecherhände und, im zweiten Ausstellungsabschnitt – der sich mit der „sakralen Gemeinschaft“ Erfurts beschäftigt –, als Schädelreliquien, die zusammen mit anderen heiligen Gebeinen im schmuckvollen Reliquienschrank zu sehen sind. Weitere Kirchenschätze wie das Portalteil des Cyriaksklosters und zwei große Domtüren bereichern den Raum.
Während sich die erste Etage im September 2012 noch im Umbau befindet, kann man im zweiten Stock in die Stadtgeschichte der letzten zweihundert Jahre eintauchen. Für Kinder ist das nicht unspannend, zeigen sich doch hier früheres Spielzeug und Darstellungen des Schullebens um 1900. Mit einer Vielzahl von Uniformen, dem respekteinflößenden Teil einer Lok, alten Schreibmaschinen oder Stadtmodellen kann der Besucher die Geschichte der Landeshauptstadt über die preußische Zeit bis hin zur friedlichen Revolution noch einmal Revue passieren lassen – aber erschrecken Sie sich nicht: Im Ausstellungsabschnitt „Die organisierte Privatheit“ werden Sie nicht allein sein.
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Fotos: Constanze von Kietzell