Zu den bedeutenden Renaissancegebäuden der Stadt, die im 16. Jahrhundert errichtet bzw. umgestaltet wurden, gehört neben dem Haus „Zum Stockfisch" und dem Haus „Zum breiten Herd" auch das Haus „Zum roten Ochsen". Sein Vorgängerbau stammt aus dem Mittelalter und wurde bereits 1392 erwähnt.
Zu den Wirtschaftsmagnaten Erfurts in der Renaissance zählten die Waidhändler und Biereigen. Diese kauften die zum Teil maroden Gebäude und gestalteten sie ganz im Sinne der Renaissance um. So auch Waidhändler Jacob Naffzer, der das Haus „Zum roten Ochsen" erwarb und im Jahre 1562 diesem Stil anpasste. Farbenfroh und diffizil ausgestaltet sollten die Fassaden sein.
Der Bezug auf die Antike wird hier vor allem durch die Darstellung der Musen und der Planetengötter auf dem Fries oberhalb des Erdgeschosses deutlich. Besonders detailgetreu und damit den Anforderungen der Ästhetik der Renaissance entsprechend ist der Namensgeber des Hauses gearbeitet, der sich direkt über dem Tor befindet. Grinsend und mit goldenen Hörnern ist er dargestellt, sein Fell scheint regelrecht zu schimmern.
Dennoch sind die Darstellungen der Musen, trotz der von der Renaissance geforderten Manier unstimmig. Am auffälligsten ist, dass die neunte Muse fehlt. Kalliope wurde einfach vergessen – oder sollte nicht dargestellt werden. Auch die Attribute, also die symbolischen Beigaben wie Maske, Laute und Flöte scheinen vertauscht. So wird Klio mit einer Flöte dargestellt, die eigentlich das Attribut der Euterpa ist. Klio selbst wird ursprünglich mit Papyrusrolle und Griffel dargestellt. Wahrscheinlich ist, dass die Verzierungen an der Fassade rein dekorativ sein sollten, ohne jeglichen Zusammenhang zu übermitteln. Welcher wirkliche Sinn hinter diesem Vertauschen der Sinnesordnungen steht, ist bis heute ungeklärt.
Im 18. Jahrhundert war das Gebäude reines Bürger- und Geschäftshaus. Maßgebliche Veränderungen erfuhr das Gebäude erst wieder im Jahre 1913. Hier wurde im Hof ein Kinosaal angebaut. Dieser kann zu den ersten Kinosälen Deutschlands gezählt werden, wenn man bedenkt, dass das Berliner Tivoli im Jahre 1895 als erstes Kino des Landes bezeichnet wird. Bis 1960 wurden hier Filme vorgeführt. Mit dem Einstellen des Betriebes blieb auch das Gebäude für einige Jahre unbenutzt.
Nach seiner Renovierung fungierte es dann 1979 als Kunstgalerie für Ausstellungen. Die heutige „Kunsthalle” bietet ihren Besuchern eine Vielfalt an wechselnden Kunstausstellungen.
Fotos: Tina Romstedt