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Heft 1

A |E | I | O | U … Hör gut zu!

Dieses Arbeitsheft beginnt mit einem Vorkurs zur “phonologischen Bewusstheit” und übt das Silbenglieder, das Anlauterfassen und das Reimwortfinden.

Goethes Bekanntschaften mit Erfurter Persönlichkeiten

Goethes Bekanntschaften mit Erfurter Persönlichkeiten

Christine Zinner

Als Goethe Erfurt im Oktober 1765 das erste Mal erblickte, war er erst 16 Jahre alt und auf dem Weg nach Leipzig, um dort auf Wunsch seines Vaters Jura zu studieren. Die Kutsche durchfuhr die Stadt nur, weshalb er sich wohl höchstens einen flüchtigen ersten Eindruck verschaffen konnte.

Stadtansicht von Erfurt um 1740
Stadtansicht von Erfurt um 1740


Sein erster Aufenthalt folgte zehn Jahre später, als er Fürst Carl August auf einen Jagdausflug in die Gegend um Erfurt herum begleitete. Sie verweilten nachts in der kurmainzischen Statthalterei, als Gäste des Carl Theodor von Dalberg, welcher zu dieser Zeit der Statthalter von Erfurt und gerade einmal fünf Jahre älter als der inzwischen 26-jährige Dichter war. Auch Silvester verbrachten die beiden bei dem jungen Statthalter. Obwohl Goethe selbst erst zwei Monate zuvor am Weimarer Hof angekommen war, verwendete er sich zu dieser Zeit bereits bei Carl August für eine Anstellung Johann Gottfried Herders, worin ihn Dalberg unterstützte. Schon ein Dreivierteljahr später, im Oktober 1776 hielt Herder seine Antrittspredigt als neu berufener Generalsuperindent in der Weimarer Hofkirche.

Dalberg und Goethe entwickelten ein freundschaftliches Verhältnis zueinander und durch das Einwirken des Statthalters lernte der Dichter weitere interessante Persönlichkeiten kennen. Dalberg erwirkte einen mehrtägigen Besuch Goethes und Wielands bei der Familie von Keller auf Schloss Stedten, wo Goethe selbst Szenen aus seinem Faust vortrug und einen großen Eindruck hinterließ. Die literaturliebende Tochter des Hauses, Julie von Bechtolsheim, nannte den Dichter einige Wochen später in einem Brief „vielleicht eines der größten Genies […], die es jemals gab“.

ehemalige kurmainzischen Statthalterei
ehemalige kurmainzischen Statthalterei

Ab 1786 führte Dalberg Assembléen in seinem Palais ein. Das waren gesellschaftliche Treffen, bei denen alle Bürger, die anständig gekleidet kamen, willkommen waren. So trafen verschiedene Stände, von Fürsten bis Handwerker, bei diesen Veranstaltungen aufeinander, welche musikalisch umrahmt Möglichkeiten zu Unterhaltung und Spiel anboten. Manchmal wurden die Soireen sogar von Konzerten oder Bällen begleitet. Zeitzeugen berichteten, wie die verschiedensten Leute miteinander gesungen, gespielt oder sich unterhalten hatten. Auch Goethe besuchte die Assembléen einige wenige Male, neugierig auf das Erfurter Gesellschaftsleben, aber auch um Anregungen für Weimar zu sammeln.

Das Haus von Dacherödens heute
Das Haus von Dacherödens heute

Dank seiner Beziehung zum Statthalter wurde der Dichter zudem in den Kreis um Carl Friedrich von Dacheröden eingeführt. Dieser lebte in dieser Zeit mit seinen beiden Kinder im Haus „Zum Großen und Neuen Schiff“, welches 1833 mit dem „Zum güldenen Hechte“ zu einem Doppelhaus zusammengeschlossen wurde und heute noch als „Haus Dacheröden“ bekannt am Anger 37 zu begutachten ist.

Von Dacheröden war ein enger Vertrauter Dalbergs und 1778 von ihm zum Leiter der „Akademie gemeinnütziger Wissenschaften“ ernannt worden. Diese war bereits 1754 gegründet worden, um die moderne medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung und einen Erfahrungsaustausch über die Landesgrenzen hinaus zu fördern. Als aber der erste Sekretär Johann Wilhelm Baumer Erfurt 1765 verlassen hatte, war die Akademie in die Bedeutungslosigkeit gefallen. Dalberg jedoch erkannte ihren Nutzen und belebte sie ab 1776 neu. Nachdem sich die Universität Erfurt 1816 auflöste, fungierte die Akademie als eine Art Ersatz.

Caroline von Dacheröden, spätere von Humboldt
Caroline von Dacheröden, spätere von Humboldt

In Dacherödens Haus verkehrten neben Goethe auch Größen wie Schiller, Gneisenau, Alexander und Wilhelm von Humboldt. Letzterer heiratete die Tochter des Hauses, Caroline von Dacheröden, welche auch von den anderen für ihre Schönheit und Klugheit geschätzt wurde. Goethe respektierte sie vor allem für ihr Urteil in Kunstangelegenheiten. Wilhelm von Humboldt selbst lernte er erst durch die Vermittlung Dalbergs näher kennen. Zuvor hatte Humboldt bereits in den Briefen seiner Verlobten Caroline 1790 einiges über den Dichter gelesen.
„Er ging mir fast nicht von der Seite, sprach so offen, so geistvoll und herzlich; aber wenn ein Dritter dazu kam, sprach er das fadeste Zeug, das man denken mag. Lili [Caroline v. Beulwitz] schrieb mir einmal, es sei schmerzlich ein Wesen wie Goethe auch für Momente nur bloß dulden zu können. Und so ist’s. Die Weimaraner plagen und verschrauben ihn auch. Was für ein Lärm über das Kind ist, ist unglaublich.“

Im „Zum Großen und Neuen Schiff“ waren vor allem literarische, wissenschaftliche und politische Themen auf der Tagesordnung. Goethe wurde durch den Verkehr im Hause mit weiteren interessanten Erfurter Persönlichkeiten bekannt. Eine davon war der Erzieher des Ernst von Dacheröden, Rudolf Zacharis Becker, welcher damals für sein zweibändiges „Not- und Hilfbüchleins“ (1788/1798) als Pädagoge bekannt wurde, aber auch als Verleger wirkte. 1802 wurde er Gothaer Hofrat und war in der gebildeten Welt bekannt. Eine weitere bemerkenswerte Bekanntschaft war der Verlagsbuchhändler und Autor Georg Adam Keyser. Als Universitätsbuchhändler zählte er zum akademischen Kreis der Stadt.

Auch mit dem Professor für Geschichte der Universität Erfurt, Johann Jakob Dominikus, hält Goethe über die Jahre einen regen Austausch. Dieser war für die Erziehung des Neffen Dalbergs verantwortlich und wird 1804 Sekretär der „Akademie nützlicher Wissenschaften“. In dieser Funktion teilte er dem Dichter 1811 seine Aufnahme in die Akademie mit. Vor Goethe waren bereits Wieland, die beiden von Humboldts, Hufeland und Schiller aufgenommen worden. Der Dichter zeigte sich in einem Dankesbrief hocherfreut. Natürlich interessierte er sich auch für die Erfurter Universität, besonders für den Naturwissenschaftler Professor Trommsdorff, welcher als einer der bedeutendstenChemiker seiner Zeit galt. Goethe versuchte sogar, ihn für die Universität Jena zu gewinnen. Der Wissenschaftler hielt jedoch seiner Heimatstadt die Treue.


Wer sich näher mit Goethes Verbindungen zu Erfurt befassen will, dem sei das Buch „‘Ja es sind die bunten Mohne…‘ – Goethe und Erfurt“ von Volkmar Birkholz empfohlen.

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