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Goethe in Erfurt

Goethe in Erfurt

Christine Zinner

„Haben Sie auch die Merkwürdigkeiten in Erfurt betrachtet?“, soll Goethe den Studenten Sigismund Gottfried Dittmar gefragt haben. Zur großen Glocke im Dom meinte er: „Sie brummt einen tiefen ernsten Baß … Nichts von Luther? Sahen Sie seine Zelle, die er in Erfurt bewohnte? … Ich kenne sie. Die Augustiner-Kirche, in welcher der Mönch Luther gepredigt hat, ist seit kurzem renoviert worden …“

Dieses Gespräch fand 1786 in Weimar statt. Nachweislich besuchte der Dichterfürst den Erfurter Dom Jahre später noch einmal am 15. August 1811, wie es aus einem seiner Tagebucheinträge zu entnehmen ist. Möglicherweise war er öfter dort, immerhin hielt er sich ganze 53 Mal in der Stadt auf. Im Augustinerkloster ist die hier erwähnte Lutherzelle im Rahmen der 2002 eröffneten Dauerausstellung „BIBEL–KLOSTER–LUTHER“ heute noch im rekonstruierten Zustand zu besichtigen. Das Kloster fand in Goethes Götz von Berlichingen bereits eine Erwähnung, noch vor dem November 1775, also bevor Goethe sich das erste Mal länger als eine Durchfahrt lang in der thüringischen Hauptstadt aufhielt. „[M]ein Kloster ist Erfurt in Sachsen“ lässt er den Mönch sagen, der wohl nicht zufällig den Namen Martin trägt. In dem Stück nennt er die Stadt das „thüringische Rom“. Auch die italienische Kirchenmusik wird später auf seiner Italienreise mit der Erfurts verglichen.
„Was das übrige kirchliche Musikalische Wesen durch ganz Italien betrifft, so ist dieses schlechterdings jenem so untergeordnet, daß man, etwa Stimmen, Komposition, Ausführung, Lokalitäten abgerechnet, in Erfurt oder sonst wo in einer Kathol. Kirche, sich eben so gut einen Begriff vom kirchl. Musikalischen Wesen machen kann, als in Italien.“

Die bekanntesten Goethe-Stätten in Erfurt sind das Geleitshaus, die Staatskanzlei, das Haus Dacheröden und der Kaisersaal. Der Dichter besuchte Erfurt die ersten paar Male vor allem in seiner Funktion als Weimarischer Staatsbeamter. Als herzoglichem Wegebaudirektor stand ihm das Geleitshaus, welches seit 1720 dem Weimarer Hof gehörte, als Unterkunft und Erfurter Zuhause zur Verfügung. „An diesem rothen Tische hab ich dir schon offt geschrieben. Schon seit sechs Jahren sind meine Gedanken offt in dieser Stube an dich gerichtet gewesen.“ So schrieb er Anfang Dezember 1781 in dem Haus an Charlotte von Stein. Herzog Carl August kam ebenfalls hier unter, wenn er in Erfurt verweilte.

Die benachbarte Staatskanzlei war damals kurmainzische Statthalterei. Goethe entwickelte ein freundschaftliches Verhältnis zum Statthalter Carl Theodor von Dalberg und auch zur berühmten Audienz bei Napoleon wurde er hier 1808 im linken Erkerzimmer des ersten Stockwerkes vom Kaiser empfangen. Heute ist das Gebäude der Amtssitz des Thüringer Ministerpräsidenten.

Das ebenfalls nicht weit entfernte Haus Dacheröden war damals in die zwei Häuser „Zum Großen und Neuen Schiff“, und „Zum güldenen Hechte“ unterteilt und ist heute nach dem damaligen Besitzer des ersteren benannt. Das „Zum Großen und Neuen Schiff“ war ein Treffpunkt des geistigen Lebens, an dem Größen wie Goethe, Schiller, Dalberg, Alexander und Wilhelm von Humboldt sich versammelten. Heute ist das Haus am Anger das städtische Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum. Seit 2017 ist der Erfurter Herbstlese e. V. der Betreiber.

Der Kaisersaal galt damals noch als Ballhaus der Universität. Seit 1756 fanden dort Theateraufführungen statt. Ab 1791 gastierte auch die „Weimarische Hofschauspieler-Gesellschaft“ für fünf Spielzeiten unter der Leitung von Goethe. Dieser wusste, dass ohne auswärtige Gastspiele sein Theaterunternehmen sich finanziell nicht würde erhalten lassen. Der Statthalter Dalberg, zu dem er ohnehin in freundschaftlichem Verhältnis stand, wünschte sich ein gutes Theater in Erfurt und so kamen sich die beiden schnell entgegen. Schillers Don Carlos wurde in der Prosafassung sogar in Erfurt uraufgeführt. Der Dichter selbst war dabei anwesend.

In seinen Tag- und Jahresheften schrieb Goethe zum Jahr 1795:
„Daß unsere Schauspieler in Lauchstädt, Erfurt, Rudolstadt von dem verschiedensten Publikum mit Freuden aufgenommen, durch Enthusiasmus belebt und durch gute Behandlung in der Achtung gegen sich selbst gesteigert wurden, gereicht nicht zum geringen Vorteil unserer Bühne und zur Anfrischung einer Tätigkeit, die, wenn man dasselbe Publikum immer vor sich sieht, dessen Charakter, dessen Urteilsweise man kennt, gar bald zu erschlaffen pflegt.“

Es stellte sich nur leider heraus, dass die Aufführungen in Erfurt für die Schauspielergesellschaft finanziell nicht einträglich waren und so endeten 1795 die Gastspiele, da Goethe es ablehnte, sie im nächsten Jahr fortzusetzen. Erst 1802 kamen sie wieder um die Zauberflöte aufzuführen. Auch 1815 führten sie nochmal ein Stück in Erfurt auf, aber da war Goethes Einfluss auf die Truppe bereits etwas erlahmt.

Zur Zeit des Fürstenkongresses 1808 gab die Schauspielertruppe der Comédie Français jeden Abend eine Vorstellung, wofür der Saal eigens restauriert worden war. Goethe besuchte fünf der Aufführungen.
„Es war höchst interessant, ihn nach jeder Vorstellung noch stundenlang … über die Eigentümlichkeiten der französischen Tragiker und dramatischen Künstler sprechen zu hören. Er war dabei stets in der höchsten Aufregung, voll Feuer und hinreißender Beredsamkeit“, bemerkte der Kanzler von Müller. Der Dichterfürst folgte zudem einer Einladung des Intendanten der Schauspielgruppe ins Haus Anger 61.

Auch die Universität suchte der Dichter öfter als einmal auf und sie fand sogar Erwähnung in einem seiner Werke, nämlich in Reineke Fuchs, wo er den Isegrim sagen lässt: „Was sollt` ich nicht lesen! das wäre mir seltsam! Deutsch, Latein, und Welsch, sogar Französisch versteh ich, Denn in Erfurt hab` ich mich wohl zur Schule gehalten, Bei den Weisen, Gelahrten und mit den Meistern des Rechtes …“ Auch wenn hier ein anderer Eindruck entsteht, war die Glanzzeit der alten Erfurter Universität damals allerdings schon vorbei. 1816 wurde sie geschlossen. Das Hauptgebäude in der Michaelisstraße wurde 1945 durch einen Sprengbombenabwurf zerstört. Inzwischen ist es aber wieder vollständig rekonstruiert und wird als Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland genutzt.

Natürlich war Goethe auch an vielen anderen Orten der Stadt zu Gast. In der Johannestraße 170 beispielsweise besuchte er 1808 den französischen Außenminister Champagny, in der Regierungsstraße 63 Marshall Lannes, welcher nach der Doppelschlacht in Jena und Auerstedt bei Goethe Unterkunft bezogen hatte und ihn nun im Gegenzug zu sich zum Frühstück einlud. In der Barfüßerkirche lauschte er am 15. August 1811 Konzerten des Musikfestes. Am gleichen Tag hatte er im Anger 6 die gefeierte Schauspielerin Caroline Jagemann aufgesucht, welche ihn sechs Jahre später durch ihre Intrigen zur Kündigung als Intendant verleiten sollte.

Eckermann hat für die Nachwelt festgehalten, was ihm der Dichter im September 1827 auf der westlichen Höhe des Ettersberges von alten Zeiten erzählte: „Ich übersehe von hier aus, fuhr Goethe fort, eine Menge Punkte, an die sich die reichsten Erinnerungen eines langen Lebens knüpfen. Was habe ich nicht […] dort unten im lieben Erfurt, wie manches gute Abenteuer erlebt!“

Zu guter Letzt soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Dichterfürst auch an der Landschaft um Erfurt großen Gefallen fand. Das folgende Gedicht wurde während einer Reise am 25. Juli 1814 im Angesicht des „thüringischen Roms“ verfasst:

Liebliches

Was doch Buntes dort verbindet
Mir den Himmel mit der Höhe?
Morgennebelung verblindet
Mir des Blikes scharfe Sehe.

Sind es Zelten des Vessires,
Die er lieben Frauen baute?
Sind es Teppiche des Festes,
Weil er sich der Liebsten traute?

Roth und weiß, gemischt, gesprenkelt
Wüßt ich schönres nicht zu schauen;
Doch wie Hafis kommt dein Schiras
Auf des Nordens trübe Gauen?

Ja es sind die bunten Mohne,
Die sich nachbarlich erstrecken
Und, dem Kriegesgott zum Hohne,
Felder streifweis freundlich decken.

Möge stets so der Gescheute
Nutzend Blumenzierde pflegen.
Und der Sonnenschein wie heute
Klären sich auf meinen Wegen!

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